• Recht & Regulierung

Position zu den geplanten Gas- und Strompreisbremsen mit Stand vom 22. November 2022

Die lang erwarteten Entwürfe für die Gas-, Wärme- und Strompreisbremsen 2023 gingen seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) nun in die Verbändekonsultation. Sehr kurzfristig und mit einer Frist zur Stellungnahme von nur wenigen Stunden hat der VEA in Kooperation mit dem Bündnis faire Energiewende die nachfolgende Stellungnahme eingereicht. Das parlamentarische Verfahren soll jetzt kurzfristig starten, damit die Gesetze zum 1. Januar 2023 in Kraft treten können.

Das Bündnis faire Energiewende hatte die ursprünglichen Pläne der Bundesregierung für Gas- und Strompreisbremsen und ebenso die Vorschläge der „ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme“ ausdrücklich begrüßt. Die extremen Entwicklungen der Gas- und Strompreise in der letzten Zeit führen zu existenzgefährdenden Wettbewerbsverzerrungen, vor allem im internationalen Vergleich mit Nordamerika und Asien, aber auch national zwischen Betrieben, deren Energielieferverträge Ende des Jahres auslaufen und solchen, die längerfristige Energieverträge abgeschlossen haben. Der vorgeschlagene Mechanismus einer Preisbremse auf Basis des historischen Energiebedarfes ist grundsätzlich geeignet, diese Wettbewerbsverzerrungen zu begrenzen. Nachfolgend finden Sie erste Anmerkungen, die sich aufgrund der sehr kurzen Konsultationsfristen auf die Entlastungen sowohl im Strom- wie auch im Gas- und Wärmebereich beziehen.

Grundsätzlich merken wir an, dass die vorliegenden Entwürfe – entgegen aller Ankündigungen – wenig mittelstandsfreundlich sind. Höhere Entlastungen können, ähnlich wie schon beim Energiekostendämpfungsprogramm, nur von den sehr großen Unternehmen in Anspruch genommen werden. Hinzu kommt, dass die Entlastungs-Verfahren hoch bürokratisch ausgestaltet sind. Wir regen an, die Regelungen praxistauglicher, rechtssicherer und zugleich mittelstandsfreundlicher auszugestalten.

Grundsätzliches

  • Der Entwurf enthält mit einer neuen Prüfbehörde, absoluten und relativen Deckeln, kurzen Antragsfristen, Mitteilungspflichten, neuen Begrifflichkeiten und komplexen Regelungen eine Fülle an neuer Bürokratie, die es insbesondere für mittelständische Unternehmen deutlich erschweren, wenn nicht unmöglich machen, von den Entlastungen zu profitieren.
  • Die Unternehmen bekommen keine Rechts- und Planungssicherheit, da die Gefahr einer Rückforderung der Beihilfen droht. Die Unternehmen müssten daher Rückstellungen bilden und hätten damit so gut wie keine Entlastung und vor allem keine Planungssicherheit.
  • Die geplante Definition der Energieintensität hilft den Unternehmen nicht. Die größten Probleme in Bezug auf die hohen Energiepreise entstanden erst nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine. Daher muss auch dieser Zeitraum bei der Definition mitberücksichtigt werden.
     

Konkrete Punkte

1. Spielräume des TCF-Beihilferahmens verbessern
Aus unserer Sicht sollte der temporäre Krisenbeihilferahmen der EU-Kommission in folgenden Punkten dringend verbessert werden:

  • Auf feste Branchenlisten auf Basis der Klassifikation der Wirtschaftszweige als Voraussetzung für die Beihilfe sollte verzichtet werden, da diese Klassifikation ungeeignet ist, um eine Beihilfeberechtigung adäquat zu bestimmen. Es ist häufig dem Zufall und dem Vorliegen oder Nicht-Vorliegen von Daten überlassen, ob bestimmte Branchen es auf die Liste der entlastungsberechtigten Sektoren schaffen oder nicht.
  • Auf Betriebsverluste, Gewinnrückgang oder Gewinnbegrenzung als Voraussetzung für die Beihilfe sollte ebenfalls gänzlich verzichtet werden. Unabhängig von den prozentualen oder monetären Förderhöhen gehen Größenvorgaben für das EBITDA an der Realität mittelständischer Unternehmen vollständig vorbei. Gerade renditeschwache Branchen, die Preisnehmer sind, haben kaum Einfluss auf ihr EBITDA, so dass es von zu vielen nicht planbaren Faktoren abhängt, ob die im TCF vorgesehenen Schwellenwerte eingehalten werden können oder nicht. Weiter fehlt jeder Beleg dafür, dass die angegebenen Schwellenwerte geeignet sind, die Förderwürdigkeit eines Unternehmens zu begründen. Die Unternehmen sollten sich zudem nicht erst in die Gefahr einer Insolvenz begeben müssen, um die notwendige Beihilfe zu erhalten. Das Ziel der Beihilfe ist es, die Unternehmen durch die aktuelle Energiepreiskrise zu bringen, damit diese danach weiter ihre Wertschöpfung erbringen können, denn nur so werden sie auch die Transformation hin zur Klimaneutralität schaffen.
  • Die vorliegenden Gesetzesentwürfe binden größere Entlastungsbeträge an die Energieintensität. Dabei muss ein Unternehmen bereits im Kalenderjahr 2021 Energiebeschaffungskosten von mindestens 3 Prozent des Produktionswertes oder des Umsatzes gehabt haben oder im ersten Halbjahr 2022 mindestens 6 Prozent. Preisexplosionen, wie sie bei vielen Unternehmen erst ab der Jahresmitte 2022 und ab dem 1. Januar 2023 ankommen, werden nicht berücksichtigt. Sehr viele Unternehmen erreichen die Energieintensitätsschwellen erst zu diesen Zeitpunkten, werden aufgrund der Referenzzeiträume aber nicht als energieintensiv eingestuft. Dieses Ergebnis entspricht nicht einer Preisbremse, die den aktuellen Preisexplosionen etwas entgegensetzen soll und die die mittelständischen Unternehmen ausdrücklich einbeziehen will. Die Referenzzeiträume für die Energieintensität sollten sich auf die aktuellen und auf die mit dem 1. Januar 2023 kommenden Preise beziehen, um die aktuelle Lage zu erfassen.

2. Grenzen für Meldeschwellen erhöhen
Die Gesetzentwürfe enthalten zahlreiche Mitteilungs- und Antragspflichten. Die Schwellen für diese Pflichten sollten deutlich erhöht werden, um den energieintensiven Mittelstand von Bürokratie zu entlasten.

3. Den Referenzzeitraum für die Entlastungen flexibilisieren
Der Referenzverbrauch für Entlastungen ist grundsätzlich 2021. Es kann für Unternehmen sehr problematisch sein, auf den Verbrauch des Jahres 2021 festgelegt zu werden, wenn es in dem Jahr geringere Verbräuche als in „normalen“ Jahren durch Betriebsunterbrechungen (z.B. wg. Überflutungen oder Corona-Maßnahmen), Produktionsumstellungen oder Ähnliches gab. Damit wäre es dem Zufall überlassen, wie groß die jeweilige Entlastung eines Unternehmens ist, was zu Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Um die genannten Probleme und Ungerechtigkeiten zu beheben, sollten die Unternehmen die Möglichkeit haben, in begründeten Fällen von dem Referenzjahr 2021 abzuweichen und das Referenzjahr aus mehreren möglichen Jahren (z.B. 2019, 2020 oder 2021) auszuwählen.

4. Vorbehalt
Nach den Gesetzesentwürfen ist der Entlastungsbetrag unter dem Vorbehalt er Rückforderung zu gewähren. Der Vorbehalt ist erst mit der Wertstellung des Ausgleichs der Jahresendabrechnung für das Kalenderjahr 2023 erfüllt. Dieser Vorbehalt zwingt die Unternehmen zu Rückstellungen. Ein Vorbehalt sollte deshalb zumindest genau spezifiziert werden.

5. Härtefallregelung öffnen und flexibilisieren
Die bisher angedachten Pauschalentlastungen für SLP- und RLM-Kunden sind grundsätzlich zu begrüßen. Dennoch kann es atypische Einzelfälle geben, in denen diese pauschalen Entlastungen nicht ausreichen, um ein Überleben des Unternehmens zu sichern. Daher ist für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) eine Härtefallregelung geplant, die dieses Problem adressieren soll. Es können jedoch nicht nur KMU, sondern auch größere Unternehmen von atypischen Situationen betroffen sein. Um eine Wettbewerbsgleichheit in den verschiedenen Branchen und zwischen den Branchen zu gewährleisten, müssen alle betroffenen Firmen von Härtefallregelungen profitieren können.

6. Gegenleistungen der Unternehmen müssen zielführend und umsetzbar sein
Die geplanten Entlastungen der Unternehmen werden von bestimmten Gegenleistungen oder Voraussetzungen abhängig gemacht. Die ursprünglich vorgesehene pauschale „Preisbremse“ ist aber für das Überleben der Unternehmen dringend notwendig. Da die Unternehmen durch die Energiepreiskrise auch mit den geplanten Entlastungen in einer sehr schwierigen Situation bleiben werden, sind weitere Gegenleistungen oder Voraussetzungen nicht zielführend, wenn die Unternehmen irgendwann wieder ihr gewohntes Wertschöpfungsniveau erreichen sollen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Unternehmen im Energiebereich weiterhin mit staatlichen Steuern und Umlagen, wie Stromsteuer, Energiesteuer oder CO2-Umlage belastet werden, die die meisten Wettbewerber in dieser Weise nicht kennen. Auf eine umfassende und langfristige Arbeitsplatzerhaltungspflicht sowie eine entsprechende Standortgarantie sollte in der derzeitigen Situation verzichtet werden. Kein Unternehmen weiß heute, ob es 2024 auch mit einer Entlastung noch am Markt überlebensfähig sein wird. Insbesondere der aktuell formulierte pauschale Arbeitsplatzerhalt von 90 Prozent, ohne Berücksichtigung betrieblicher Einzelfälle ist nicht akzeptabel. Faktisch werden damit alle Beendigungstatbestände (wie z.B. Änderungskündigungen, verhaltensbedingte Kündigungen oder Aufhebungsverträge) ausgeschlossen. Nach der jetzigen Ausgestaltung wäre sogar zweifelhaft, ob eine Regelung aufgrund einer Betriebsvereinbarung rechtlich umsetzbar wäre. Die Anwendung von § 77 Abs. 3 BetrVG müsste also gegebenenfalls ausgeschlossen werden.

7. Alle Möglichkeiten zur Ausweitung des Gasangebots prüfen
Um den Gaspreis in Europa mittelfristig wieder in die Nähe eines international wettbewerbsfähigen Niveaus zu bringen, bedarf es eines vergrößerten Gasangebotes. Dadurch können zumindest Teile der Gaslieferungen aus Russland ersetzt werden und der Preis wieder sinken. Alle sicheren und ökonomisch sinnvollen Maßnahmen zur Ausweitung des Gasangebots aus internationalen, europäischen und deutschen Quellen müssen ergebnisoffen geprüft werden. Dabei gilt es, alle Möglichkeiten sachorientiert und ohne Vorfestlegungen zu diskutieren.

8. Zugang der Unternehmen zu Gas- und Stromversorgungsverträgen sicherstellen
Derzeit haben viele Unternehmen Schwierigkeiten, überhaupt Energielieferverträge zu bekommen. Da bei sehr vielen Unternehmen die bestehenden Verträge zum Ende des Jahres 2022 auslaufen, drohen danach Produktionseinstellungen, wenn es nicht gelingen sollte, Anschlusslieferverträge zu schließen. Es sollte eine verpflichtende Grundversorgung auch für Industrie- und Gewerbekunden analog zu den Regelungen für private Verbraucher eingeführt werden.

Zum „Bündnis faire Energiewende“ zählen:

Die Verbände im „Bündnis faire Energiewende“ vertreten branchenübergreifend mehr als 10.000 deutsche Unternehmen mit circa einer Million Beschäftigten und etwa 200 Milliarden Euro Jahresumsatz.

Der Querschnittsverband Bundesverband der Energieabnehmer vertritt zudem etwa 4.500 Unternehmen aus allen Branchen.

Das Bündnis faire Energiewende ist unter der Registernummer R001663 im Lobbyregister des Deutschen Bundestages eingetragen.

Warum die mittelständische Industrie faire Energiepreise braucht, erfahren Sie auf der offiziellen Seite.