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Position zur den geplanten Gas- und Strompreisbremsen

(unter Berücksichtigung des Eckpunktepapiers der Bundesregierung vom 02. November 2022, des Berichts der „ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme“ vom 31. Oktober 2022 und des temporären Krisenbeihilferahmens (TCF) der EU-Kommission vom 28. Oktober 2022)

Das Bündnis faire Energiewende begrüßt die Pläne der Bundesregierung für Gas- und Strompreisbremsen und ebenso die Vorschläge der „ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme“ vom 31. Oktober 2022 ausdrücklich. Die extremen Entwicklungen der Gas- und Strompreise in der letzten Zeit führen zu existenzgefährdenden Wettbewerbsverzerrungen, vor allem im internationalen Vergleich mit Nordamerika und Asien, aber auch national zwischen Betrieben, deren Energielieferverträge Ende des Jahres auslaufen und solchen, die längerfristige Energieverträge abgeschlossen haben. Der vorgeschlagene Mechanismus einer Preisbremse auf Basis des historischen Energiebedarfes ist grundsätzlich geeignet, diese Wettbewerbsverzerrungen zu begrenzen.

Im Detail bedürfen die Regelungen aus Sicht der im Bündnis faire Energiewende zusammengeschlossenen mittelständisch geprägten Industriebranchen jedoch einiger entscheidender Anpassungen, die wir im Folgenden ausführen. Unsere Vorschläge haben das Ziel, wichtige Wertschöpfungsketten und Produktionszweige mit vielen wertvollen Arbeitsplätzen und innovativer Wertschöpfung zu erhalten, die für die Transformation zur Klimaneutralität essenziell sind.

1. Spielräume des TCF-Beihilferahmens voll ausschöpfen, diesen weiter verbessern und systematische Widersprüche auflösen
Die in Deutschland geplanten ex-ante-Entlastungen der Unternehmen durch die Gewährung von festen Zielpreisen für bestimmte Energiemengen sind zu begrüßen.

Es ist allerdings fraglich, ob und wie diese ex-ante-Pauschalentlastungen mit dem temporären Krisenbeihilferahmen (TCF) der EU-Kommission zusammenpassen, da dieser grundsätzlich von einer nachträglichen Auszahlung von Beihilfebeträgen ausgeht, auch wenn bestimmte Vorschüsse auf den Beihilfebetrag möglich sind. Zudem legt der Krisenbeihilferahmen Zugangsvoraussetzungen zu den Beihilfen fest, die von den Unternehmen kaum oder überhaupt nicht zu erfüllen sind. Auch ist der Beihilferahmen bis Ende 2023 befristet.

Antragsbasierte ex-post-Entlastungen sind komplex, nicht selten ungerecht und wurden in den vergangenen Jahren zu einer immer größeren planerischen, finanziellen und administrativen Belastung für den industriellen Mittelstand. Der von der Bundesregierung nun eingeschlagene Weg hin zu ex-ante-Pauschalentlastungen muss daher unbedingt weiterverfolgt werden. Da die weitere Elektrifizierung Grundvoraussetzung für Klimaschutz und Energieunabhängigkeit ist, sind ex-ante-wirkende Entlastungen beim Strompreis gerade für den Mittelstand alternativlos. Daher ist dafür zu sorgen, dass diese Entlastungslösungen auch durch die EU-Wettbewerbsregeln abgedeckt werden.

Lösungsvorschlag
Es muss zunächst alles dafür getan werden, dass die in Deutschland geplanten pauschalen ex-ante-Entlastungen durch feste Zielpreise wie geplant und zugleich beihilferechtskonform umgesetzt werden können. Die Entlastung muss mittelstandsfreundlich, das heißt bürokratiearm, ohne vorheriges Antragsverfahren und ohne aufwändige spätere Nachprüfung gestaltet sein. Es tritt keine Entlastung ein, wenn die Gefahr späterer Rückzahlungen im Raume steht und dafür direkt Rückstellungen gebildet werden müssen.

Daher muss aus unserer Sicht der temporäre Krisenbeihilferahmen der EU-Kommission in folgenden Punkten verbessert werden:

  • Auf feste Branchenlisten auf Basis der Klassifikation der Wirtschaftszweige als Voraussetzung für die Beihilfe sollte verzichtet werden, da diese Klassifikation vollständig ungeeignet ist, um Beihilfen adäquat zuzuordnen. Es ist häufig dem Zufall und dem Vorliegen oder Nicht-Vorliegen von Daten überlassen, ob bestimmte Branchen es auf die Liste der entlastungsberechtigten Sektoren schaffen oder nicht. Besser wäre in jedem Fall eine Bewertung der Beihilfeberechtigung auf Unternehmensebene, beispielsweise anhand der Energieintensität des jeweiligen Unternehmens.
  • Auf Betriebsverluste, Gewinnrückgang oder Gewinnbegrenzung als Voraussetzung für die Beihilfe sollte ebenfalls gänzlich verzichtet werden. Unabhängig von den prozentualen oder monetären Förderhöhen gehen Größenvorgaben für das EBITDA an der Realität mittelständischer Unternehmen vollständig vorbei. Gerade renditeschwache Branchen, die Preisnehmer sind, haben kaum Einfluss auf ihr EBITDA, sodass es von zu vielen unplanbaren Faktoren abhängt, ob die im TCF vorgesehenen Schwellenwerte eingehalten werden können oder nicht. Weiter fehlt jeder Beleg dafür, dass die angegebenen Schwellenwerte geeignet sind, die Förderwürdigkeit eines Unternehmens zu begründen. Die Unternehmen sollten sich zudem nicht erst in die Gefahr einer Insolvenz begeben müssen, um die notwendige Beihilfe zu erhalten. Das Ziel der Beihilfe ist es, die Unternehmen durch die aktuelle Energiepreiskrise zu bringen, damit diese danach weiter ihre Wertschöpfung erbringen können, denn nur so werden sie auch die Transformation hin zur Klimaneutralität schaffen.
  • Der Beihilferahmen muss mindestens bis Ende 2024 verlängert werden, da die Energiepreiskrise voraussichtlich mindestens so lange andauern wird und die Unternehmen dringend Planungssicherheit benötigen.
     

2. Den Referenzzeitraum für die Entlastungen flexibilisieren
Die Entlastungen sollen nach den bisherigen Planungen für einen Referenzverbrauch aus der Vergangenheit gelten. Die ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme hat als Referenzzeitraum das Jahr 2021 vorgeschlagen und ergänzt, dass in Fällen, in denen „die Verbrauchsdaten 2021 offensichtlich nicht als Referenz herangezogen werden können“, spezifische Lösungen zu entwickeln sind. Es kann für Unternehmen sehr problematisch sein, auf den Verbrauch des Jahres 2021 festgelegt zu werden, wenn es in dem Jahr geringere Verbräuche als in „normalen“ Jahren durch Betriebsunterbrechungen (z. B. wg. Überflutungen oder Corona-Maßnahmen), Produktionsumstellungen oder Ähnliches gab. Damit wäre es dem Zufall überlassen, wie groß die jeweilige Entlastung eines Unternehmens ist, was zu Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Bei einer möglichen Anwendung der Preisbremsen auf Monatsebene könnte es aufgrund von saisonalen Produktionsschwankungen in den Unternehmen zu extrem verzerrten Ergebnissen kommen.

Lösungsvorschlag
Um die genannten Probleme und Ungerechtigkeiten zu beheben, sollten die Unternehmen die Möglichkeit haben, in begründeten Fällen von dem Referenzjahr 2021 abzuweichen und das Referenzjahr aus mehreren möglichen Jahren (z. B. 2019, 2020 oder 2021) auszuwählen.

Sollte bei der Anwendung der Preisbremsen eine Umsetzung auf Monatsebene erfolgen, muss eine monatsgenaue Entlastung ermöglicht werden. Eine Verteilung von jeweils eines Zwölftel des historischen Jahresaufkommens (Summe der Monatsverbräuche) auf die Jahresmonate könnte Verzerrungen aufgrund starker monatsweiser Schwankungen beim Verbrauch zufolge haben.


3. Härtefallregelung öffnen und flexibilisieren
Die bisher angedachten Pauschalentlastungen für SLP- und RLM-Kunden sind grundsätzlich zu begrüßen. Dennoch kann es atypische Einzelfälle geben, in denen diese pauschalen Entlastungen nicht ausreichen, um ein Überleben des Unternehmens zu sichern. Daher ist für KMU eine Härtefallregelung geplant, die dieses Problem adressieren soll. Es können jedoch nicht nur KMU, sondern auch größere Unternehmen von atypischen Situationen betroffen sein.

Lösungsvorschlag
Um eine Wettbewerbsgleichheit in den verschiedenen Branchen und zwischen den Branchen zu gewährleisten, müssen alle betroffenen Firmen von Härtefallregelungen profitieren können.


4. Gegenleistungen der Unternehmen müssen zielführend und umsetzbar sein
Die geplanten Entlastungen der Unternehmen sollen möglicherweise von bestimmten Gegenleistungen oder Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Die jetzt vorgesehene pauschale „Preisbremse“ ist aber für das Überleben der Unternehmen dringend notwendig. Da die Unternehmen durch die Energiepreiskrise auch mit den geplanten Entlastungen in einer sehr schwierigen Situation bleiben werden, sind weitere Gegenleistungen oder Voraussetzungen nicht zielführend, wenn die Unternehmen irgendwann wieder ihr gewohntes Wertschöpfungsniveau erreichen sollen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Unternehmen im Energiebereich weiterhin mit staatlichen Steuern und Umlagen, wie Stromsteuer, Energiesteuer oder CO2-Umlage belastet werden, die die meisten Wettbewerber in dieser Weise nicht kennen.

Lösungsvorschlag
Auf eine umfassende und langfristige Standortgarantie muss in der derzeitigen Situation verzichtet werden. Kein Unternehmen weiß heute, ob es 2024 auch mit einer Entlastung noch am Markt überlebensfähig sein wird.

Flexible Vergütungsmodelle und Dividendenzahlungen der Unternehmen müssen weiter möglich sein. Diese sind seit Jahren etabliert und schaffen für Mitarbeiter und Eigentümer einen Anreiz, das Unternehmen so aufzustellen, dass es einen Mehrwert erzielen kann, der notwendig ist, damit das Unternehmen die Energiepreiskrise überstehen kann.


5. Alle Möglichkeiten zur Ausweitung des Gasangebots prüfen
Um den Gaspreis in Europa mittelfristig wieder in die Nähe eines international wettbewerbsfähigen Niveaus zu bringen, bedarf es eines vergrößerten Gasangebotes. Dadurch können zumindest Teile der Gaslieferungen aus Russland ersetzt werden und der Preis wieder sinken.

Lösungsvorschlag
Alle sicheren und ökonomisch sinnvollen Maßnahmen zur Ausweitung des Gasangebots aus internationalen, europäischen und deutschen Quellen müssen ergebnisoffen geprüft werden. Dabei gilt es, alle Möglichkeiten sachorientiert und ohne Vorfestlegungen zu diskutieren.


6. Zugang der Unternehmen zu Gas- und Stromversorgungsverträgen sicherstellen
Derzeit haben viele Unternehmen Schwierigkeiten, überhaupt Energielieferverträge zu bekommen. Da bei sehr vielen Unternehmen die bestehenden Verträge zum Ende des Jahres 2022 auslaufen, drohen danach Produktionseinstellungen, wenn es nicht gelingen sollte, Anschlusslieferverträge zu schließen.

Lösungsvorschlag
Es sollte eine verpflichtende Grundversorgung auch für Industrie- und Gewerbekunden analog zu den Regelungen für private Verbraucher eingeführt werden.

Zum „Bündnis faire Energiewende“ zählen:

Die Verbände im „Bündnis faire Energiewende“ vertreten branchenübergreifend mehr als 10.000 deutsche Unternehmen mit circa einer Million Beschäftigten und etwa 200 Milliarden Euro Jahresumsatz.

Der Querschnittsverband Bundesverband der Energieabnehmer vertritt zudem etwa 4.500 Unternehmen aus allen Branchen.

Das Bündnis faire Energiewende ist unter der Registernummer R001663 im Lobbyregister des Deutschen Bundestages eingetragen.

Warum die mittelständische Industrie faire Energiepreise braucht, erfahren Sie auf der offiziellen Seite.