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Erdgaspreisvergleich II/2022 - so entwickelt sich der Gasmarkt

Seit dem Jahr 1998 ist der deutsche Gasmarkt formaljuristisch liberalisiert. Bis zur Einführung eines geregelten Netzzugangs auf Basis des Zwei-Vertrags-Modells im Oktober 2007 war es der überwiegenden Mehrzahl der Sondervertragskunden nicht möglich, Wettbewerbsangebote einzuholen. De facto hatte das lokale Gasversorgungsunternehmen weiterhin eine Monopolstellung. Seit Beginn 2008 herrscht Wettbewerb auf dem deutschen Gasmarkt.

Im Januar 2021 trat das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) in Kraft und dies verteuert für nahezu alle Gaskunden den Bezug von Erdgas deutlich. In diesem Preisvergleich sind in den Preisen ein Anteil von 0,55 Ct/kWh entsprechend 30 €/t CO2 berücksichtigt. Ebenfalls berücksichtigt sind die Bilanzierungsumlage und die neue Gasspeicherumlage. Die Gasbeschaffungsumlage ist nicht berücksichtigt, da der Gesetzgeber diese bei der Erstellung des Preisvergleichs wieder in Frage stellt.

Seit Sommer 2021 haben die Preise im Großhandel stark zugelegt. Seit Ausbruch des Ukrainekriegs sind die Preise nochmals dramatisch gestiegen und neue Allzeithochs erreicht. Dies ist im Wesentlichen die Ursache für die extreme Preissteigerung in Höhe von mehr als 107 % in den vergangenen sechs Monaten. Im Vergleich zum Oktober 2021 haben sich die Preise sogar fast vervierfacht.

VEA-Geschäftsführer: „Unbürokratische und schnelle Hilfe ist jetzt gefragt!“
„Erhöhte Erdgasnachfrage nach Corona, der Krieg in der Ukraine, der Ausfall von Nord Stream 1 und jetzt die Beschädigung von Nord Stream 1 und 2. Die Negativ-Nachrichten rund um den Erdgasmarkt reißen seit einem Jahr nicht ab. So kommt es, dass wir eine extrem volatile Zeit an den Energiebörsen erleben. Preisrekorde reihen sich aneinander. Die aktuellen Preise für Erdgas gefährden den Wirtschaftsstandort Deutschland massiv. Wir bitten die Politik, jetzt entschlossen und zielorientiert zu handeln. Bereits im Januar kann es zu spät sein. Denn es gilt zu berücksichtigen, dass aktuell viele Unternehmen ohne Versorgungsverträge für das nächste Jahr dastehen. Unbürokratische und schnelle Hilfe ist jetzt gefragt, wenn Deutschland auch in Zukunft ein Industrieland bleiben will“, sagt VEA-Geschäftsführer Christian Otto.

Grundsätzliche Anmerkungen beim VEA-Erdgaspreisvergleich
Der VEA hat seinen seit 1973 regelmäßig veröffentlichten Gaspreisvergleich aufgrund des veränderten Marktumfelds angepasst. Wurden in der Vergangenheit die Standardpreisregelungen der verschiedenen lokalen Versorger ausgewertet und die durchschnittlichen Gaspreise veröffentlicht, so publiziert der VEA nunmehr für 15 definierte Abnahmefälle realistische Preisindikationen, wie sie vertragsfreie und wechselbereite Gasbezieher in den 50 vom VEA untersuchten Netzgebieten im Rahmen einer bundesweiten Ausschreibung am Markt einholen können. Grundlage für die genannten Preise sind Vollversorgungsverträge mit Vertragsbeginn 1. Oktober 2022 und einer Laufzeit von zwölf Monaten, die im dritten Quartal 2022 abgeschlossen wurden.

Die in der nachfolgenden Tabelle genannten Preise berücksichtigen alle Kosten für die jeweilige Netznutzung inklusive Messung und Abrechnung, Gasbeschaffung und Strukturierung, die Konzessionsabgabe (KA), die Belastungen aus dem BEHG, die neue Gasspeicherumlage sowie eine am Markt übliche Marge für den Lieferanten. Lediglich die Erdgas- und Mehrwertsteuer sind vom Kunden zusätzlich zu entrichten. Nur aufgrund der Vielzahl der vom VEA beratenen Unternehmen und der damit verbundenen sehr großen Marktkenntnis ist es uns möglich, realistische Preisangaben zu publizieren.

Ergebnisse des Gaspreisvergleichs
Der Preisvergleich umfasst insgesamt 50 große Netzgebiete in Deutschland. Damit wird ein erheblicher Teil des deutschen Gasnetzes abgedeckt. Die Reihenfolge im Vergleich basiert auf dem arithmetischen Mittel ohne Gewichtung der 15 Abnahmefälle.

Im Durchschnitt haben sich die Preise innerhalb der letzten sechs Monate (seit April 2022) um 107 % verteuert. Die größten Preissteigerungen mit über 109 % sind bei Dortmund Netz zu beobachten. Da die Preiserhöhungen im Wesentlichen den Belastungen aus dem Großhandel geschuldet sind, sind die Gaskosten überall im gleichen Umfang gestiegen. Die geringste Preissteigerung erfolgte bei SWKiel Netz mit fast 105 %.

Die bisher signifikanten Preisunterschiede zwischen den einzelnen Netzgebieten sind aufgrund der dramatischen Preisentwicklung im Großhandel nicht mehr festzustellen: Die Differenz zwischen dem nach diesem Vergleich preisgünstigsten Netz (Dortmund Netz mit 20,87 Ct/kWh) und dem teuersten Netzgebiet (SWKiel Netz mit 21,31 Ct/kWh) beträgt 0,44 Ct/kWh bzw. 2,1 %. Bezogen auf das arithmetische Mittel der zehn preisgünstigsten Netze (20,94 Ct/kWh) liegen die durchschnittlichen Preise der zehn teuersten Gebiete (21,23 Ct/kWh) um 0,30 Ct/kWh bzw. 1,4 % höher. Das durchschnittliche Niveau der Gruppe der zehn Netzbetreiber mit den höchsten Preisen bewegt sich im Mittel um 0,17 Ct/kWh bzw. 0,8 % über und das der Gruppe der zehn preisgünstigsten Versorgungsgebiete um 0,13 Ct/kWh bzw. 0,6 % unter dem Durchschnitt aller 50 Vergleichsnetze in Deutschland (21,1 Ct/kWh).Die zehn günstigsten Gebiete sind derzeit: Dortmunder Netz, OsthessenNetz mit Sitz in Fulda, Energienetze Bayern mit Sitz in München, Stadtwerke Rostock, Bielefelder Netz, wesernetz Bremen, NEW Netz mit Sitz in Geilenkirchen, e-netz Südhessen mit Sitz in Darmstadt, SWM Infrastruktur mit Sitz in München und EWE NETZ (Teilnetz Ost) mit Sitz in Oldenburg. Die Reihenfolge in der Gruppe der zehn Versorgungsgebiete mit den höchsten Durchschnitts-gaspreisen lautet wie folgt: SWKiel Netz, Netze BW mit Sitz in Stuttgart, SWE Netz mit Sitz in Erfurt, EAM mit Sitz in Kassel, Städtische Werke Magdeburg, Westfalen Weser Netz mit Sitz in Paderborn, energis-Netzgesellschaft mit Sitz in Saarbrücken, Braunschweiger Netz, MVV Netze mit Sitz in Mannheim, und Netzgesellschaft Potsdam.

Hinweise für Gaskunden
Durch den Ukrainekrieg ist der Gasmarkt aktuell sehr nervös. Eine Reihe von Lieferanten unterbreiten aktuell keine Lieferangebote für Sondervertragskunden. Daher erhalten viele Industrieunternehmen nur noch wenige, im Einzelfall auch gar keine Lieferangebote mehr. Da ohne eine Gasversorgung die Unternehmen gar nicht mehr produzieren können, drohen große Schäden für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Aber auch das aktuelle Preisniveau macht es für die Unternehmen sehr schwer, eine wirtschaftlich sinnvolle Produktion aufrechtzuerhalten. Erste Unternehmen haben aufgrund des Preisniveaus bereits die Produktion gedrosselt bzw. Werke stillgelegt.

Um auch in diesem sehr speziellen Marktumfeld den Herausforderungen gerecht zu werden, benötigen mittelständische Unternehmen professionelle Unterstützung. Der VEA empfiehlt allen Unternehmen, Alternativen zu den klassischen Festpreisverträgen und eine tranchierte Beschaffung zu prüfen. Dies ist auch für Kunden mit einem geringen Gasbedarf sehr leicht möglich. Mit dem Dienstleistungsangebot VEA-Aktiv bietet der VEA seit mehr als 15 Jahren allen Kunden die Möglichkeit, ohne eigenen Aufwand von einer Tranchenbeschaffung zu partizipieren. Der VEA bündelt die Nachfrage von rund 1.200 Unternehmen mit einem Gesamtenergiebedarf von mehr als 2,0 TWh und beschafft den jeweils benötigten Strom- und Gasbedarf der Unternehmen zu sehr attraktiven Konditionen. Für die Kunden sind dank kundenfreundlicher Vertragsgestaltung sowohl das Mengen- als auch das Preisrisiko minimiert.