- Recht & Regulierung
Stellungnahme des Bündnis faire Energiewende zur aktuellen Konsultation gemäß § 26 Abs. 2 BECV
Mit der vorliegenden Stellungnahme wollen die im „Bündnis faire Energiewende“ zusammengeschlossenen Verbände ihre Bedenken bezüglich des aktuellen Konsultationsprozesses gem. § 26 Abs. 2 BECV darlegen.
Die Verordnung über Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon-Leakage durch den nationalen Brennstoffemissionshandel (BECV) sieht vor, dass die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag bis zum 30. September 2022 erstmals einen Bericht zu den wesentlichen Ergebnissen des Beihilfeverfahrens für das vorangegangene Abrechnungsjahr vorlegen muss. Dieser wird aktuell erstellt. In den Bericht werden die Ergebnisse einer Befragung des beauftragten „Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft“ (FÖS) mit einfließen. Da diese Konsultation erhebliche Mängel aufweist, befürchtet das „Bündnis faire Energiewende“, dass aus ihr falsche Schlüsse gezogen und in den Bericht aufgenommen werden könnten. Dieser Umstand ist deshalb von Bedeutung, weil die Bundesregierung gem. § 26 Abs. 4 BECV auf Grundlage des Berichts überprüft, ob Änderungsbedarf an der Verordnung besteht.
Die Bedenken an der Konsultation im Überblick
Im Zuge seiner Aktivitäten hat sich das „Bündnis faire Energiewende“ am Konsultationsprozess und der Veranstaltung „BECV-Experten-Forum“ des FÖS am 17. Juni 2022 beteiligt, bei dem die Ergebnisse der Befragung im Rahmen der Konsultation präsentiert wurden. Dabei wurden folgende Prozessmängel deutlich, die das Ergebnis der Konsultation beeinflussen oder sogar verfälschen können:
- Der Fragebogen war aus unserer Sicht nicht objektiv, sondern lenkte mögliche Antworten mittels „Framing“ in eine bestimmte Richtung.
- Die Anzahl der Antworten auf die Konsultation war mit 27 derart gering, dass deren Aussagen keine belastbare Relevanz zugemessen werden kann.
- Die Unterteilung nach Interessensverbänden und Expertinnen/Experten ist aus unserer Sicht nicht sachgerecht.
- Die Konsultation ist intransparent, da nicht veröffentlicht wird, welche Informationen von welchen Organisationen oder Personen eingeflossen sind.
- Die Konsultation enthielt Fragestellungen, die von falschen Annahmen ausgingen.
- Die vorhandene Datenbasis reicht nicht aus, um valide Aussagen über wirtschaftliche Belastungen und das Carbon-Leakage-Risikos zu treffen.
Die Kritikpunkte Im Einzelnen
Voreingenommene Fragestellungen („Framing“)
Als Methodik wurde vom FÖS ein online-gestützter Fragebogen verwendet, der geschlossene und offene Fragen enthielt. Die Antworten wurden laut FÖS „quantitativ“ ausgewertet bzw. induktiv-inhaltlich analysiert. Bei den Fragen fällt auf, dass die Antworten offenbar bewusst mittels Framing in eine bestimmte Richtung gelenkt werden sollten. So wird beispielsweise zunächst nach den Stärken des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) gefragt, danach aber nicht – wie anzunehmen wäre – nach dessen Schwächen, sondern an welchen Stellen „Anpassungsbedarf“ bestehe.
Geringe Aussagekraft wegen geringer Beteiligung, wegen der nicht nachvollziehbaren Unterteilung in „Interessenverbände“ und „Unabhängige Expert:innen“ und wegen mangelnder Transparenz
An der Konsultation haben insgesamt nur 27 Personen oder Institutionen teilgenommen, so dass die Grundgesamtheit unzureichend ist, um belastbare Aussagen zu treffen. Hinzu kommt, dass nicht alle Aussagen insgesamt quantitativ bewertet, sondern vom FÖS unterteilt wurden, ob sie von „Interessenverbänden“ oder von „Unabhängigen Expert:innen“ stammten. Dadurch werden die Ergebnisse aus unserer Sicht drastisch verzerrt, denn die letztgenannte Gruppe umfasst exakt vier (!) Personen. Trotzdem gibt das FÖS deren Auffassungen sogar mit Prozentzahlen an. So heißt es in seiner am 17. Juni 2022 gezeigten Präsentation, dass 75 Prozent der „unabhängigen Expert:innen“ das Carbon-Leakage-Risiko als niedrig einschätzten. Damit wird ein völlig falscher Eindruck vermittelt, denn in absoluten Zahlen waren lediglich drei der insgesamt 27 Befragten dieser Meinung.
Ohnehin ist die Unterteilung in „Interessenverbände“ und „Unabhängigen Expert:innen“ weder nachvollziehbar noch akzeptabel, sondern ist ein weiteres Beispiel für Framing. Zum einen sind die teilnehmenden Verbandsvertreterinnen und -vertreter ebenfalls „Expert:innen“, zum anderen wird das Kriterium der Unabhängigkeit nicht definiert. Sollten die befragten Expertinnen und Experten beispielsweise NGOs angehören, dürfte von einer Unabhängigkeit kaum die Rede sein. Auch der Verordnungstext in § 26 Abs. 2 BECV bietet keine Grundlage für diese Unterscheidung. Dieser nennt lediglich „Interessenverbände, Sozialpartner sowie Expertinnen und Experten auf dem Gebiet des Carbon-Leakage-Schutzes“, was nicht ausschließt, dass Fachleute auch für Interessenverbände tätig sein können. Vielmehr dürften diese über fundierte(re) Kenntnisse verfügen, gerade was die praktischen Auswirkungen von BEHG und BECV betrifft, über die der Konsultationsprozess ja letztlich Aufschluss geben soll.
Hier tritt das Transparenzdefizit der FÖS-Konsultation deutlich zu Tage: Es bleibt vollkommen unklar, welche Personen sich daran mit welcher Expertise und mit welchen Stellungnahmen beteiligt haben. Eine Einordnung der Aussagen wird so unmöglich. Zwar wurde im Fragebogen eine Art Selbstauskunft verlangt, wonach 81 Prozent der Teilnehmenden mit dem BEHG in „(relativ) hohem Maße vertraut“ und 77 Prozent mit der BECV in „(relativ) hohem Maße vertraut“ sind. Allein aus diesen Zahlen folgt der Schluss, dass ein knappes Viertel der Befragten im Konsultationsprozess zur BECV mit dieser offensichtlich nicht hinreichend vertraut ist. Wie groß die fachliche Expertise der übrigen Teilnehmenden tatsächlich ist, bleibt damit ebenfalls unklar.
Diese Intransparenz ist völlig unverständlich und widerspricht den üblichen politischen und wissenschaftlichen Gepflogenheiten in anderen Konsultationsprozessen. Dort ist es üblich, wenn nicht sogar gesetzlich vorgegebenen, alle eingeflossenen Stellungnahmen auch zu veröffentlichen.
Fragen im Konsultationsprozess gingen von falschen Annahmen aus
Die Konsultation des FÖS enthielt zudem Fragestellungen, die von falschen Annahmen ausgingen. So wurde bei der Entlastung unterstellt, dass eine bis zu 95-prozentige Entlastung möglich sei. Dies ist jedoch unzutreffend, da der Brennstoffbenchmark aus dem EU-Emissionshandel als Faktor in die Berechnung mit eingeht und somit eine maximale Entlastung von 72,2 Prozent abzüglich des Selbstbehalts von 150 Tonnen CO2 bezogen auf die Emissionen von Erdgas möglich ist. Diese Maximalentlastung ist allerdings nicht der Regelfall, denn bei anderen Brennstoffen und bei anderen Wirtschaftszweigen ist die Entlastung deutlich geringer und beträgt oft nur circa 30 Prozent, wobei die zukünftige Zweckbindung der Beihilfe noch gar nicht berücksichtigt ist.
Die vorhandene Datenbasis ist unzureichend
Gegenstand der FÖS-Befragung waren auch die wirtschaftlichen Belastungen und das Carbon-Leakage-Risiko, obwohl die Datenbasis gerade zum Carbon-Leakage-Risiko innerhalb des EU-Binnenmarktes vollkommen unzureichend ist. Hier wurden offenbar nur Fremdeinschätzungen wie etwa „Konsistenz“ oder „niedrigeres Risiko in der EU“ ohne jede nähere Begründung wiedergegeben. Der Aspekt der fehlenden und immer unwahrscheinlicher werdenden Ausweitung des nationalen Emissionshandelssystems auf die gesamte EU fehlt zusätzlich.
Ergebnis
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass durch die genannten Prozessmängel die Validität der Ergebnisse der Konsultation erheblich in Zweifel zu ziehen ist. Daher sollten Schlussfolgerungen in Bezug auf einen möglichen Änderungsbedarf an der BECV jedenfalls nicht ausschließlich auf Basis dieser Ergebnisse gezogen werden.
Das „Bündnis faire Energiewende“
Im „Bündnis faire Energiewende“ engagieren sich Verbände vorwiegend mittelständisch geprägter Industriebranchen für faire Energiepreise. Hinter ihnen stehen branchenübergreifend mehr als 10 000 deutsche Unternehmen mit circa einer Million Beschäftigten und etwa 200 Milliarden Euro Jahresumsatz. Der Querschnittsverband Bundesverband der Energieabnehmer vertritt zudem etwa 4 500 Unternehmen aus allen Branchen.
Zum „Bündnis faire Energiewende“ zählen:
- Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie BDG
- Bundesverband Keramische Industrie e. V.
- Bundesverband der Energie-Abnehmer e. V.
- Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V.
- Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e. V.
- wdk Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie e. V.
- WSM Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e. V.
- Deutsche Feuerfest-Industrie e. V.
- Industrieverband Feuerverzinken e. V.
Die Verbände im „Bündnis faire Energiewende“ vertreten branchenübergreifend mehr als 10.000 deutsche Unternehmen mit circa einer Million Beschäftigten und etwa 200 Milliarden Euro Jahresumsatz.
Der Querschnittsverband Bundesverband der Energieabnehmer vertritt zudem etwa 4.500 Unternehmen aus allen Branchen.
Das Bündnis faire Energiewende ist unter der Registernummer R001663 im Lobbyregister des Deutschen Bundestages eingetragen.
Warum die mittelständische Industrie faire Energiepreise braucht, erfahren Sie auf der offiziellen Seite.