• Recht & Regulierung

Gemeinsame Stellungnahme zum Empfehlungsverfahren der Clearingstelle EEG / KWKG vom 10. April 2019

„Zuschlagszahlung für Strom aus KWK-Anlagen mit einer elektrischen KWK-Leistung von mehr als 100 kW bei kaufmännisch-bilanzieller Weitergabe“

Verfahrensfragen:

1.    Hat ein Betreiber einer KWK-Anlage nach § 4 Abs. 1 KWKG2016 oder § 4 KWKG 2012 die Befugnis, in seiner Anlage erzeugte KWK-Strommengen kaufmännisch-bilanziell in das Netz der allgemeinen Versorgung einzuspeisen? Bejahendenfalls: In welchem Umfang besteht dann für den kaufmännisch-bilanziell eingespeisten KWK-Strom der Zuschlagsanspruch?

2.    Besteht für KWK-Strom, der durch eine Erzeugungsmessung einer KWK-Anlage oder eine andere nachgelagerte Messung gemessen wird, bei kaufmännisch-bilanzieller Weitergabe in ein Netz der allgemeinen Versorgung ein Zuschlagsanspruch gemäß §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 KWKG 2016?

3.    Besteht für KWK-Strom, der durch eine Erzeugungsmessung einer KWK-Anlage oder eine andere nachgelagerte Messung gemessen wird, bei kaufmännisch-bilanzieller Weitergabe in ein Netz der allgemeinen Versorgung ein Zuschlagsanspruch gemäß §§ 6 Abs. 1, 8a Abs. 2 KWKG2016?

Gemeinsame Stellungnahme von DIHK, VDMA und VEA:

I.    Haben    KWK-Anlagen    mit    mehr    als    100    kWel    unter    §    4    KWKG    2012    einen Zuschlagsanspruch und in welcher Höhe?

Betreiber von KWK-Anlagen auch mit mehr als 100 kWel haben nach § 4 KWKG 2012 die Befugnis, den in der Anlage erzeugten Strom kaufmännisch-bilanziell in das Netz der allgemeinen Versorgung (NdAV) einzuspeisen und in vollem Umfang die Vergütung in Anspruch zu nehmen.

Begründung:

Dies folgt bereits aus § 4 Abs. 3a KWKG 2012. Dort ist geregelt, dass ein Zuschlag auch für KWK- Strom zu entrichten ist, der nicht in ein Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist wird. Diese Regelung zielt zwar in erster Linie auf selbstverbrauchte Strommengen ab. Im Umkehrschluss lässt sich aber ableiten, dass dies erst Recht für Strom gilt, der kaufmännisch-bilanziell in das NdAV eingespeist wird.

Außerdem ist der Netzbetreiber gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 KWKG 2012 verpflichtet, den in hocheffizienten KWK-Anlagen im Sinne des Gesetzes erzeugten KWK-Strom unverzüglich vorrangig abzunehmen, zu übertragen und zu verteilen, und für den aufgenommenen KWK-Strom den Preis, den der Betreiber der KWK-Anlage und der Netzbetreiber vereinbaren, und einen Zuschlag zu entrichten. Die Zuschlagspflicht knüpft also an den „aufgenommenen“ Strom, wobei dieser Begriff gesetzlich nicht definiert ist.

Hierzu hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 13. Dezember 2016 entschieden (BGH vom 13.12.2016 EnVR 38/15 unter: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=a66193dced07dc0645a495c2425864e1&nr=77493&pos=0&anz=1), dass die Beschränkung auf den tatsächlich-physikalischen Strombezug im Rahmen der Vereinbarungen einer 7.000-Std.-Regelung nicht zulässig ist. Der BGH stützt seine Entscheidung vor allem darauf, dass der Begriff Stromentnahme sowohl physikalisch als auch kaufmännisch-bilanziell verstanden werden könnte. Aus dieser Entscheidung folgt, dass die Begrifflichkeit des „aufgenommenen“ Stroms auch kaufmännisch-bilanziell verstanden werden kann.

Außerdem stellt der BGH darauf ab, dass es für die Berechnung der Netzentgelte bereits eine Ausnahme vom Grundsatz der tatsächlichen Stromentnahme gebe, wenn der aus Erneuerbaren- Energien gewonnene Strom im Wege der kaufmännisch-bilanziellen Verrechnung in das Netz eingespeist würde. Denn in diesem Fall wird der Verbrauch des Erzeugers vom BGH als netzentgeltpflichtig angesehen. Wenn aber die kaufmännisch-bilanzielle Einspeisung als netzentgeltpflichtiger Verbrauch des Erzeugers angesehen werde, müsse ihm, so der BGH, auch die Vergünstigung des § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV zu Gute kommen. Diese Argumentation findet auf die vorliegende Fragestellung ebenfalls Anwendung. Auch daraus leitet sich also ab, dass auch für kaufmännisch-bilanziell eingespeisten Strom unter dem KWKG 2012 die Zuschlagspflicht gilt.

Im Übrigen wird auf die nachfolgenden Ausführungen zum KWKG 2016 Bezug genommen, da diese im Rahmen des KWKG 2012 ebenfalls Anwendung finden, bzw. dort erst recht gelten.

II.    Haben KWK-Anlagen mit mehr als 100 kWel unter den §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 und 8a Abs. 2 KWKG 2016 einen Zuschlagsanspruch und in welcher Höhe?

Der Zuschlagsanspruch einer KWK-Anlage mit mehr als 100 kWel nach den §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 und 8a Abs. 2 KWKG 2016 kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass eine solche Anlage direkt in ein Netz der allgemeinen Versorgung einspeist. Betreiber von KWK-Anlagen haben die Befugnis, den in der Anlage erzeugten Strom kaufmännisch-bilanziell in das Netz der allgemeinen Versorgung (NdAV) einzuspeisen und in vollem Umfang den Zuschlag in Anspruch zu nehmen. Dies folgt aus allen nachfolgend aufgeführten Begründungen.

Begründung:

Gesetzgeber benennt in der Begründung zum KWKG 2016 die kaufmännisch-bilanzielle Durchleitung ausdrücklich als förderfähig
Der Gesetzgeber hat in der Begründung zur Regelung des § 33a Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KWKG 2017 explizit deutlich gemacht, dass er eine Förderung von kaufmännisch-bilanziell eingespeistem Strom ohne jede Einschränkung für zulässig erachtet:

„Die neu eingefügte Verordnungsermächtigung in § 33a Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb ermöglicht eine Abweichung von der in § 8a Absatz 2 Nummer 2 und § 8a Absatz 3 enthaltenen Bestimmung, nach der Voraussetzung für eine Förderung durch Ausschreibung ist, dass der gesamte in der Anlage erzeugte Strom in ein Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist wird und nur für den in ein Netz der allgemeinen Versorgung eingespeisten Strom eine Zuschlagzahlung erfolgt. Dabei ist auch eine kaufmännisch-bilanzielle Einspeisung möglich. Davon abweichend kann unter bestimmten Umständen auch eine Einspeisung in ein geschlossenes Verteilernetz ausreichen“. (BT-Drucksache 18/10668, S. 137)
 
Diese Begründung ist eindeutig und zeigt, dass der Gesetzgeber eine Förderung von kaufmännisch- bilanziell eingespeistem Strom ganz selbstverständlich als zulässig erachtet hat!

Auch bei kaufmännisch-bilanzieller Durchleitung ist Doppelförderung ausgeschlossen
Im Wesentlichen sollten die Änderungen im Rahmen des KWKG 2016 dafür sorgen, dass selbstverbrauchter KWK-Strom keine Doppelförderung – bestehend aus reduzierten EEG-Umlagen, nicht anfallenden Netzentgelten und den dazu gehörigen Netzumlagen auf der einen und KWK- Zuschlägen auf der anderen Seite – erfährt. 3 Daraus - und nur daraus - resultiert auch die Differenzierung des KWKG 2016 zwischen in das Netz der allgemeinen und nicht in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeisten KWK-Strommengen.

Bei der kaufmännisch-bilanziellen Weiterleitung von Strom wird der selbst erzeugte Strom aber verkauft. Zugleich muss der Betreiber einer KWK-Anlage den entsprechenden Strom mindestens im gleichen Umfang zukaufen. Auf diesen Lieferstrom fallen alle Umlagen und Netzentgelte in vollem Umfang an. Eine Doppelförderung ist damit ausgeschlossen. Im Übrigen wird auf die oben genannte Entscheidung des BGH vom 13.12.2016 Bezug genommen, deren Argumentation auch hier Anwendung findet.

Jedwede Stromzuordnung ist zwangsläufig eine bilanzielle und keine technisch-physikalische
Eine andere Betrachtungsweise würde außerdem verkennen, dass jedwede Stromzuordnung zwangsläufig eine bilanzielle und keine technisch-physikalische ist. Denn sobald der in einer Anlage erzeugte Strom in ein Netz jedweder Art oder in eine Kundenanlage eingespeist wird, vermischt sich dieser mit dem deutschen Strommix. Wenn dies anders beurteilt würde, könnten nur noch KWK- Anlagen, die direkt mit dem Netz der allgemeinen Versorgung verbunden sind oder die aus einer Kundenanlage heraus mittels einer Direktleitung mit dem Netz der allgemeinen Versorgung verbunden sind, eine Vergütung nach dem KWKG erhalten. Dies wäre willkürlich und würde andere KWK-Anlagen klar benachteiligen. Bereits mit dem EEG aus dem Jahr 2000 wurde klargestellt, „dass die Abnahme- und Vergütungspflicht sich nicht auf den so genannten Überschussstrom beschränkt, sondern für den gesamten dem Netzbetreiber angebotenen Strom gilt.“ (DIHK, VDMA und VEA weisen darauf hin, dass sie die Reduzierung von Umlagen und den Entfall der Netzentgelte im Rahmen von Eigenversorgungskonstellationen nicht als Förderung verstehen.(BT-Drucksache 14/2776, S. 22.)
Im EEG wurde die Zulässigkeit der kaufmännisch-bilanziellen Einspeisung erstmals durch das EEG 2004 ausdrücklich geregelt und zugelassen, da eine kaufmännisch‐bilanzielle Weitergabe einen technisch unnötigen, einzig zur Erlangung des Vergütungsanspruchs erfolgenden Netzausbau vermeiden kann und dadurch die volkswirtschaftlichen Kosten reduziert (BT‐Drs. 15/2864, S. 35). Der Gesetzgeber des EEG 2004 hielt in der diesbezüglichen Gesetzesbegründung auch fest, dass es sich lediglich um eine Klarstellung handle, die bereits zuvor gegolten habe. Es ist damit nach dem Willen des Gesetzgebers keine ausdrückliche Regelung erforderlich, damit der Betreiber einer Stromerzeugungsanlage eine physikalische Einspeisung durch eine (fiktive) kaufmännisch‐bilanzielle Einspeisung ersetzen kann, selbst wenn die Einspeisung Voraussetzung für die Erlangung einer Förderung durch den Netzbetreiber ist.

Volkswirtschaftlich ist es zudem nicht sinnvoll, Anlagenbetreiber durch entsprechende Ausgestaltung der Förderung zu einem Direktleitungsbau zu verpflichten und dadurch redundante Netzstrukturen zu schaffen. Diese Argumentation trifft in vollem Umfang auch für die Zuschlagsberechtigung nach dem KWKG zu. Daher haben Anlagenbetreiber auch unter dem KWKG 2016 in allen Fällen die Möglichkeit, die kaufmännisch-bilanzielle Einspeisung und die Vergütung in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen.

Auch der BGH geht in seiner jüngeren Rechtsprechung zur Berücksichtigung der kaufmännisch- bilanziellen Weitergabe im Rahmen des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV ohne Weiteres davon aus, dass eine solche auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung zulässig ist. Im Rahmen dieser Rechtsprechung hatte der BGH darüber zu entscheiden, ob Betreiber von EEG‐Anlagen, die die Möglichkeit zur kaufmännisch‐bilanziellen Weitergabe nutzten, die dabei als Kehrseite zu vergütende fiktive Netznutzung bei der Berechnung der Vollbenutzungsstunden ansetzen konnten. Dies wurde durch den BGH mehrfach bejaht (vgl. EnVR 38/15, EnVR 30/15 sowie EnVR 40/15).

Im Änderungsbeschluss BK4‐13‐739A02 vom 29.11.2017 hat die Beschlusskammer ausgeführt, dass eine Einschränkung der kaufmännisch-bilanziellen Betrachtung auf Fälle des § 11 Abs. 2 EEG nicht sachgerecht wäre. Es kann für die Anwendung der kaufmännisch-bilanziellen Betrachtung keinen Unterschied machen, welche Art einer Erzeugungsanlage betrieben wird. Hintergrund hierfür ist, dass Großverbraucher einen nachhaltigen Beitrag zu den Netzentgelten leisten. Deswegen ist sicherzustellen, dass Großverbraucher am Netz der allgemeinen Versorgung angeschlossen sind und bleiben und etwa auf die Herstellung einer Direktleitung zu einer höheren Netzebene verzichten.

Der BGH‐Entscheidung in der Rechtssache EnVR 39/15 lag ausweislich der Tatsachenschilderung der Vorinstanz ein Sachverhalt zugrunde, bei dem auch der Betreiber einer konventionellen Stromerzeugungsanlage die bei einer kaufmännisch‐bilanziellen Weitergabe zu vergütende fiktive Netznutzung im Rahmen des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV berücksichtigt wissen wollte. Obwohl die kaufmännisch‐bilanzielle Weitergabe für konventionelle Stromerzeugungsanlage gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist, ist der BGH auch in diesem Fall davon ausgegangen, dass der fiktive Strombezug und die damit einhergehende fiktive Netznutzung bei der Berechnung der Vollbenutzungsstunden zu berücksichtigen ist. Folglich hat der BGH eine kaufmännisch‐bilanzielle Einspeisung generell und nicht nur im Rahmen der ausdrücklichen Regelung in § 11 EEG 2017 als zulässig erachtet.

Ergebnis im Einklang mit § 4 Absatz 2 KWKG 2016
Diesem Ergebnis entspricht auch die Regelung des § 4 KWKG 2016. Dort ist in Absatz 2 geregelt, dass Betreiber von KWK-Anlagen bis 100 kWel die kaufmännische Abnahme ihres erzeugten KWK- Stroms verlangen können. Diese Regelung ist nicht so zu verstehen, dass andere Anlagen dies nicht können. Denn in Absatz 1 legt die Norm analog den entsprechenden Vorgaben des Erneuerbare- Energien-Gesetzes den Grundsatz der verpflichtenden Direktvermarktung fest. Absatz 2 beinhaltet die Ausnahme vom Grundsatz der verpflichtenden Direktvermarktung für Anlagen mit einer Leistung bis 100 Kilowatt. Nur bis zur dieser Leistungsgrenze können Anlagenbetreiber vom Netzbetreiber sowohl die Vermarktung ihres Stroms und die Auszahlung des in Absatz 3 normierten Preises als auch die Zahlung der Förderzuschläge verlangen. Hierbei wird klargestellt5, dass diese Regelung auch für Anlagen in einer Kundenanlage gilt, deren Strom im Wege der kaufmännisch-bilanziellen Weitergabe in ein Netz angeboten wird, wobei maßgeblich ist, dass der entsprechende Betreiber im gleichen Umfang Strom aus dem Netz erwirbt oder Strom aus anderen in der Kundenanlage befindlichen Stromerzeugungsanlagen tatsächlich in das Netz eingespeist wird und der Betreiber somit über einen geschlossenen Bilanzkreis verfügt. Regelungsgegenstand des § 4 ist also die verpflichtende Direktvermarktung und Ausnahmen davon für Kleinanlagen, nicht aber die Zuschlagspflicht.

III.    Ergebnis:
Aus den voran gestellten Begründungen ergibt sich, dass alle drei Verfahrensfragen so zu beantworten sind, dass für den kaufmännisch-bilanziell eingespeisten KWK-Strom der Zuschlagsanspruch in voller Höhe besteht.