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"Einzelne Unternehmen könnten keine Versorgung mehr erhalten"

Die extrem gestiegenen Großhandelspreise für Strom und Gas stellen sowohl für Lieferanten wie für Verbraucher eine große Herausforderung dar. Insbesondere für gewerbliche Großverbraucher resultieren aus der aktuellen Situation neue Risiken. Denn sie fallen bei einem Ausfall ihres Versorgers nicht automatisch in die Ersatzversorgung, erläutern Katrin Paskowski, Abteilungsleiterin Beratung beim Bundesverband der Energieabnehmer (VEA) sowie ihr Kollege Clemens Schäfer, Abteilungsleiter Beschaffung beim VEA.

Im Oktober wurde die deutsche Öffentlichkeit von einem massiven Preisanstieg für Energie überrascht. Kam diese Entwicklung eigentlich wirklich so überraschend?

Paskowski: Durch die Energiewende ist grundsätzlich absehbar geworden, dass wir es mit stärkeren Preisausschlägen zu tun haben werden. Aus diesem Grund haben wir auch schon seit langem vor höheren Preisen gewarnt. Überraschend kam dieser Preisanstieg insofern nicht ganz. Beim Blick auf den Preisverlauf stellen wir fest, dass es seit dem Jahresbeginn 2021 eine kontinuierliche Preisbewegung nach oben gab.
 
Schäfer: …mit dem historischen Höhepunkt am 5. Oktober 2021. Auf dem Terminmarkt kostete Gas für das Kalenderjahr 2022 an diesem Tag 66,10 Euro/MWh. Auch auf dem Strommarkt verzeichneten wir an diesem Tag einen Höchstpreis. Dieser betrug im Base-Preis 160,18 Euro und im Peak-Preis 227,25 Euro. Das alles sind Preise, die wir so noch nie hatten.

Viele Unternehmen halten sich in der Energiebeschaffung wohl auch aufgrund hoher Preise derzeit auffallend zurück. Doch was passiert, wenn Unternehmen zu lange auf bessere Preiskonditionen warten? Droht ihnen am Ende möglicherweise sogar die Ersatzversorgung?

Schäfer: Für unsere Mitglieder, die alle einen gewissen Verbrauch haben, ist es mit der Ersatzversorgung nicht ganz so einfach. Im Energiewirtschaftsgesetz ist festgehalten, dass eine Ersatzversorgung nur im Bereich der Niederspannung beziehungsweise des Niederdrucks für maximal drei Monate gestellt werden muss. Ab Mittelspannung beziehungsweise Mitteldruck, die die meisten Unternehmen mit höheren Verbräuchen haben, ist der Grundversorger nicht mehr zu einer Ersatzversorgung verpflichtet. Es ist durchaus nicht unrealistisch, dass einzelne Unternehmen keine Strom- oder Gasversorgung mehr im Frontjahr 2022 erhalten.
 
Paskowski: Der Großhandel hat die Erstellung von Angeboten teilweise eingestellt. Das heißt, möglicherweise erhalten Unternehmen einen Liefervertrag mit Konditionen, auf die sie keinen Einfluss mehr nehmen können, um überhaupt lieferfähig zu bleiben. Deutliche Einschränkungen sind für diese Unternehmen durchaus denkbar.
 
Schäfer: Es geht in der Energiebeschaffung also längst nicht mehr darum, noch auf einen guten Zeitpunkt zu warten. Es geht jetzt nur noch darum, überhaupt noch einen Vertrag für das Lieferjahr 2022 zu bekommen.

Das wäre wohl für die betroffenen Unternehmen das Worst-Case-Szenario. Ist denn erkennbar, ob uns in den nächsten Jahren ein ähnlich volatiler Energiemarkt droht?

Schäfer: Um eine konkretere Prognose für ein späteres Lieferjahr abzugeben, ist es zu früh. Erstmal müssen wir warten, bis der Markt eine klare Richtung erkennen lässt.
 
Paskowski: Wie sich der Preis entwickeln wird, ist derzeit wirklich noch unabsehbar. Wir müssen viele Faktoren beachten. Aber: Die letzten Kernkraftwerke werden im nächsten Jahr abgeschaltet.

Quelle: https://www.energate-messenger.de/news/217809/-einzelne-unternehmen-koennten-keine-versorgung-mehr-erhalten-